Mal eben noch schnell Tanken und Geldwechseln
In Kirgistan will ich noch mal an der letzten Gazprom Tanke
meine Dieselvorräte auffüllen. Seit Osh bin ich nicht wirklich viel gefahren,
aber im weiteren Verlauf werden Tankstellen mit vernünftiger Dieselqualität
selten. Also muss ich nur etwa zehn Liter tanken. Irgendwie denk ich da aber
nicht drüber nach und bezahl die angezeigten knapp 20 Liter. Dass das vorne und
hinten nicht hinkommt und wahrscheinlich die Säule manipuliert ist merk ich
aber erst zu spät…
Sary Tash ist dann wirklich der letzte Ort vor der
kirgisisch-tadschikischen Grenze. Hier geht echt nicht mehr viel. Hinter einer
völlig unscheinbaren Hausfassade versteckt sich ein kleiner Laden, der aber so
gut wie alles anbietet. Lebensmittel, Schreibwaren, Klamotten. Kühlwaren
brauchen hier nicht extra gekühlt werden, da es verdammt kalt ist. Ich frag, ob
ich hier auch Dollar in tadschikische Somani wechseln könne. Die gute Frau
bejaht das und ich zauber einen 50 Dollar Schein aus der Tasche. In ihrer Kasse
findet sie aber keine Somani und so geht sie los in die Nachbarschaft. Nach
zehn Minuten kommt sie mit drei Somani zurück. Das entspricht ungefähr fünfzig
Cent…
Touri--Trottel
Die kirgisisch-tadschikische Grenze ist berühmt-berüchtigt. Hier
soll jeder abgezogen werden. Wir überlegen uns eine Strategie. Wir wollen die
Grenzbeamten landestypisch begrüßen und so die Grundlage für eine angenehme
Gesprächsatmosphäre schaffen: Asallam aleikum (Sprachkenntnisse), Hand auf die
Brust (regionale Gepflogenheiten), leichte Verbeugung (Respekt), kräftiger
Händedruck (Selbstbewusstsein). So sollten doch die Grenzbeamten gleich checken, dass
wir nicht irgendwelche Touri-Trottel sind, die jede noch so abstruse Forderung
anstandslos bezahlen! Von wegen, wir sind die ausgeschlafenen Reisefreaks, die
es schon mit ganz anderen Grenzbeamten aufgenommen haben. Und falls es dann
dennoch hart auf hart kommt, wollen wir eben auch mit harten Bandagen um die
Gerechtigkeit (und unsere Kohle) kämpfen.
An der kirgisischen Grenze klappt das
prima und wir feiern uns. Zwanzig Kilometer später an der tadschikischen Grenze
wird schon unsere sauber einstudierte Begrüßung gnadenlos abgeschmettert. Wir
kämpfen stundenlang mit harten Bandagen und müssen uns am Ende doch geschlagen
geben. Diese Verbrecher hocken hier in den Bergen auf knapp 4000 Meter und
machen einfach ihre eigenen Gesetze. Also entweder bezahlt man diese erfundenen
Gebühren oder man kommt einfach nicht ins Land. Wer Details wissen möchte schaut
hier mal rein: www. http://caravanistan.com/forum/viewtopic.php?f=9&t=1043#p4301.
Da hat Renzo mal bissl Luft abgelassen… ;-)
Nase
Unsere erste Nacht verbringen wir am wunderschönen Lake Karakol
(Schwarzer See) auf 3950 Meter. Zum ersten Mal läuft meine Standheizung nicht
und es ist windig und bitterkalt. Eigentlich sollte die Standheizung bei Höhen
ab 1500 Metern schon nicht mehr funzen, aber bisher hat sie auch bei 3000
Metern noch treu ihren Dienst geleistet. In dieser Nacht sind es minus zehn
Grad. Ich wickel mich in alles ein was ich habe. Nur meine Nase guckt noch
raus.
Begegnungen
Am nächsten Tag geht es schon über den höchsten Pass des
Pamirs: der Ak Baital-Pass mit 4655 Metern Höhe. Oskar schnurrt auch hier
problemlos hoch und ich bin stolz wie Bolle. Andere Reisende mit eigenem
Fahrzeug treffen wir nicht. Allerdings sind einige Radfahrer unterwegs. Für
viele Radfahrer hier hat der Pamir denselben Stellenwert wie Mekka für die
Muslime. Wir treffen zum Beispiel einen Schweizer, der sein Fahrrad seit der
Türkei mit dort gefundenen Badelatschen antreibt. Ein anderes Mal überholen wir
eine vereinzelte Radfahrerin - mitten im Sandsturm. Da sie fast nicht vorwärts
kommt halte ich kurz und frage, ob alles in Ordnung ist. Sie bestätigt das,
aber ihre Augen erzählen was anderes. So halten wir fünf Kilometer weiter und
kochen unser Mittagessen. Nach ner dreiviertel Stunde holt die abgekämpfte
Radfahrerin auf und nimmt dankbar den Teller Spaghetti und die Tasse Tee. Wir
erfahren, dass dies die erste warme Mahlzeit seit vier Tagen für sie sei.
Tagsüber sei sie immer gefahren und abends wäre es immer fürs Kochen zu schnell
kalt geworden. Die gute Frau heißt im Übrigen Anne und kommt aus Deutschland.
Vor dieser Tour durch Zentralasien sei sie noch nie richtig Rad gefahren. Sie
hätte lediglich als Kind von ihren Eltern Fahrrad fahren gelernt. Und ich mach
mir Gedanken, ob ich das mit Oskar schaffe…
Sammeltaxi
Auf den letzten hundert Kilometern vor Khorog nehmen die
Ortschaften immer mehr zu. So stehen an der Straße auch immer mehr Anhalter,
die ich gern mitnehm. Manchmal ist es sogar so, dass einer aussteigt und an Ort
und Stelle der nächste direkt wieder einsteigt. Alle fühlen sich sehr geehrt
und schenken mir zum Dank Bonbons oder einen Apfel. Nicht selten werde ich zum
Tee eingeladen. Einer lässt mir zum Dank eine tadschikische Zeitung da, die dann
von den nachfolgenden Anhaltern gelesen wird. In der Zeitung ist im Übrigen der
Präsident Rahmon auf jeder Seite 2- bis 4-mal abgebildet. Einige wenige können
auch etwas deutsch. Einer trägt gleich beim Einsteigen große deutsche Lyrik
wieder: „Eins, zwei, Komma, Strich, fertig ist das Mondgesicht.“ Ich muss
lachen, bin aber umso erstaunter, dass er noch weitere Zeilen dieses Reimes
kann. Hatte ich noch nie was von gehört. Ein anderer Anhalter ist ziemlich
besoffen, aber nicht weniger gerührt, dass er von einem Deutschen mitgenommen
wird. Ich kann mich eigentlich nicht mit ihm verständigen, aber zum Schluss
schaut er mich mit seinen roten Augen eindringlich an und haucht zwischen
seinen drei Zähnen ein „I love you“ entgegen. Später nehmen Renzo und ich
gleich ne ganze tadschikische Kompanie mit, die keinen Bock mehr auf Laufen
haben. Insgesamt acht Burschen mit Kalaschnikows plus Wachhund…
Erdrutsch
Nur wenige Kilometer vor Khorog gab es in diesem Sommer
einen gewaltigen Erdrutsch. Über mehrere hundert Meter hat die Erde ungefähr
ein Dutzend Häuser und auch die Straße mitgerissen. Durch eine rechtzeitige
Warnung wurde zum Glück keiner verletzt. Allerdings hat sich durch den
Erdrutsch eine Art Damm gebildet, wodurch sich der Fluss zu einem beachtlichen
See gestaut hat, so dass weitere Häuser nun unter Wasser stehen. Außerdem hatte
der Erdrutsch zur Folge, dass urplötzlich der Zugang in den östlichen Pamir
komplett versperrt war. Mit Fahrzeugen musste man einen mehreren hundert
Kilometer langen Umweg durch das Wakhan Valley in Kauf nehmen. Erst nach
etlichen Wochen hatten dann eingeflogene iranische Arbeiter eine neue Straße
auf der anderen Seite des Flusses in den Berg gesprengt.
Hot Doctor
In Khorog erwartet uns eine völlig andere Welt. Die Menschen
haben etwas dunklere, hübsche Gesichter und sind extrem nett und interessiert.
Alle grüßen voll freundlich und viele sprechen erstaunlich gutes Englisch. An
einem Nachmittag wollen Renzo, der Holländer Lars und ich von unserem Hostel zum
Basar laufen. Unterwegs werden wir zu einer schulischen Ausstellung eingeladen.
Schnell finden sich zwei etwa 18-jährige Mädchen, die uns im perfekten Englisch
von Stand zu Stand führen und dabei alles erklären. Bei fast jedem Stand
bekommen wir wieder kleinere Geschenke, so dass wir schon bald ne Tüte
brauchen. Die beiden Mädels sprechen nicht nur überragendes Englisch sondern
sind auch recht hübsch. Als Lars sie nach ihren Zukunftswünschen befragt
antwortet die eine, dass sie „a doctor“ werden möchte. Lars möchte es genauer
wissen und fragt nach der Fachrichtung. Sie antwortet „heart doctor“, aber Lars
versteht nur „hot doctor“ und wird ganz verlegen. In seinem Gesicht kann ich
lesen: „Oh ja, zieh nur was Weißes an und du hast es geschafft!“
Taliban
Im Wakhan Valley fahren wir immer dem Grenzfluss zwischen
Tadschikistan und Afghanistan entlang. Irgendwo finden wir am späten Nachmittag
einen versteckten Stellplatz und latschen danach ins nächste Dorf. Auf einmal
hält uns ein Soldat an und meint, dass wir nicht weiterlaufen dürften. Wir
verstehen nicht so recht warum, aber es scheint wohl irgendwas mit einer für
morgen geplanten Evakuierungsübung zu tun zu haben. Und außerdem wäre es hier
ja gefährlich, da die Taliban immer von der anderen Flussseite rüber schießen
würden. Der Kamerad ist leider schon reichlich angetrunken und wir wollen uns
verpissen. Aber er folgt uns, da er sehen will wo wir schlafen. Wir wollen ihm
aber unseren Stellplatz nicht zeigen. Er lässt aber nicht locker und nach
endlosen Diskussionen und der Zusicherung, dass wir da bleiben können geben wir
nach. Es ist schon dunkel als der Kollege zu seiner Flasche Wodka zurückkehrt.
Zwei Stunden später kommen fünf sechs Männer und fordern uns mehr oder weniger
höflich auf, dass wir hier nicht bleiben können. Also packen wir unsere
Klamotten zusammen und suchen mitten in der Nacht einen neuen Stellplatz. Nicht
lustig, wenn man so gut wie nichts sieht. Irgendwann finden winden wir im
Schutz einer verlassenen Festung einen Parkplatz. Da kann uns auch kein Taliban
treffen...