Freitag, 25. Dezember 2015

Anekdoten aus dem Pamir…



Mal eben noch schnell Tanken und Geldwechseln

In Kirgistan will ich noch mal an der letzten Gazprom Tanke meine Dieselvorräte auffüllen. Seit Osh bin ich nicht wirklich viel gefahren, aber im weiteren Verlauf werden Tankstellen mit vernünftiger Dieselqualität selten. Also muss ich nur etwa zehn Liter tanken. Irgendwie denk ich da aber nicht drüber nach und bezahl die angezeigten knapp 20 Liter. Dass das vorne und hinten nicht hinkommt und wahrscheinlich die Säule manipuliert ist merk ich aber erst zu spät…

Sary Tash ist dann wirklich der letzte Ort vor der kirgisisch-tadschikischen Grenze. Hier geht echt nicht mehr viel. Hinter einer völlig unscheinbaren Hausfassade versteckt sich ein kleiner Laden, der aber so gut wie alles anbietet. Lebensmittel, Schreibwaren, Klamotten. Kühlwaren brauchen hier nicht extra gekühlt werden, da es verdammt kalt ist. Ich frag, ob ich hier auch Dollar in tadschikische Somani wechseln könne. Die gute Frau bejaht das und ich zauber einen 50 Dollar Schein aus der Tasche. In ihrer Kasse findet sie aber keine Somani und so geht sie los in die Nachbarschaft. Nach zehn Minuten kommt sie mit drei Somani zurück. Das entspricht ungefähr fünfzig Cent…

Touri--Trottel

Die kirgisisch-tadschikische Grenze ist berühmt-berüchtigt. Hier soll jeder abgezogen werden. Wir überlegen uns eine Strategie. Wir wollen die Grenzbeamten landestypisch begrüßen und so die Grundlage für eine angenehme Gesprächsatmosphäre schaffen: Asallam aleikum (Sprachkenntnisse), Hand auf die Brust (regionale Gepflogenheiten), leichte Verbeugung (Respekt), kräftiger Händedruck (Selbstbewusstsein). So sollten doch die Grenzbeamten gleich checken, dass wir nicht irgendwelche Touri-Trottel sind, die jede noch so abstruse Forderung anstandslos bezahlen! Von wegen, wir sind die ausgeschlafenen Reisefreaks, die es schon mit ganz anderen Grenzbeamten aufgenommen haben. Und falls es dann dennoch hart auf hart kommt, wollen wir eben auch mit harten Bandagen um die Gerechtigkeit (und unsere Kohle) kämpfen.

An der kirgisischen Grenze klappt das prima und wir feiern uns. Zwanzig Kilometer später an der tadschikischen Grenze wird schon unsere sauber einstudierte Begrüßung gnadenlos abgeschmettert. Wir kämpfen stundenlang mit harten Bandagen und müssen uns am Ende doch geschlagen geben. Diese Verbrecher hocken hier in den Bergen auf knapp 4000 Meter und machen einfach ihre eigenen Gesetze. Also entweder bezahlt man diese erfundenen Gebühren oder man kommt einfach nicht ins Land. Wer Details wissen möchte schaut hier mal rein: www. http://caravanistan.com/forum/viewtopic.php?f=9&t=1043#p4301. Da hat Renzo mal bissl Luft abgelassen… ;-)

Nase

Unsere erste Nacht verbringen wir am wunderschönen Lake Karakol (Schwarzer See) auf 3950 Meter. Zum ersten Mal läuft meine Standheizung nicht und es ist windig und bitterkalt. Eigentlich sollte die Standheizung bei Höhen ab 1500 Metern schon nicht mehr funzen, aber bisher hat sie auch bei 3000 Metern noch treu ihren Dienst geleistet. In dieser Nacht sind es minus zehn Grad. Ich wickel mich in alles ein was ich habe. Nur meine Nase guckt noch raus.

Begegnungen

Am nächsten Tag geht es schon über den höchsten Pass des Pamirs: der Ak Baital-Pass mit 4655 Metern Höhe. Oskar schnurrt auch hier problemlos hoch und ich bin stolz wie Bolle. Andere Reisende mit eigenem Fahrzeug treffen wir nicht. Allerdings sind einige Radfahrer unterwegs. Für viele Radfahrer hier hat der Pamir denselben Stellenwert wie Mekka für die Muslime. Wir treffen zum Beispiel einen Schweizer, der sein Fahrrad seit der Türkei mit dort gefundenen Badelatschen antreibt. Ein anderes Mal überholen wir eine vereinzelte Radfahrerin - mitten im Sandsturm. Da sie fast nicht vorwärts kommt halte ich kurz und frage, ob alles in Ordnung ist. Sie bestätigt das, aber ihre Augen erzählen was anderes. So halten wir fünf Kilometer weiter und kochen unser Mittagessen. Nach ner dreiviertel Stunde holt die abgekämpfte Radfahrerin auf und nimmt dankbar den Teller Spaghetti und die Tasse Tee. Wir erfahren, dass dies die erste warme Mahlzeit seit vier Tagen für sie sei. Tagsüber sei sie immer gefahren und abends wäre es immer fürs Kochen zu schnell kalt geworden. Die gute Frau heißt im Übrigen Anne und kommt aus Deutschland. Vor dieser Tour durch Zentralasien sei sie noch nie richtig Rad gefahren. Sie hätte lediglich als Kind von ihren Eltern Fahrrad fahren gelernt. Und ich mach mir Gedanken, ob ich das mit Oskar schaffe…

Sammeltaxi

Auf den letzten hundert Kilometern vor Khorog nehmen die Ortschaften immer mehr zu. So stehen an der Straße auch immer mehr Anhalter, die ich gern mitnehm. Manchmal ist es sogar so, dass einer aussteigt und an Ort und Stelle der nächste direkt wieder einsteigt. Alle fühlen sich sehr geehrt und schenken mir zum Dank Bonbons oder einen Apfel. Nicht selten werde ich zum Tee eingeladen. Einer lässt mir zum Dank eine tadschikische Zeitung da, die dann von den nachfolgenden Anhaltern gelesen wird. In der Zeitung ist im Übrigen der Präsident Rahmon auf jeder Seite 2- bis 4-mal abgebildet. Einige wenige können auch etwas deutsch. Einer trägt gleich beim Einsteigen große deutsche Lyrik wieder: „Eins, zwei, Komma, Strich, fertig ist das Mondgesicht.“ Ich muss lachen, bin aber umso erstaunter, dass er noch weitere Zeilen dieses Reimes kann. Hatte ich noch nie was von gehört. Ein anderer Anhalter ist ziemlich besoffen, aber nicht weniger gerührt, dass er von einem Deutschen mitgenommen wird. Ich kann mich eigentlich nicht mit ihm verständigen, aber zum Schluss schaut er mich mit seinen roten Augen eindringlich an und haucht zwischen seinen drei Zähnen ein „I love you“ entgegen. Später nehmen Renzo und ich gleich ne ganze tadschikische Kompanie mit, die keinen Bock mehr auf Laufen haben. Insgesamt acht Burschen mit Kalaschnikows plus Wachhund…

Erdrutsch

Nur wenige Kilometer vor Khorog gab es in diesem Sommer einen gewaltigen Erdrutsch. Über mehrere hundert Meter hat die Erde ungefähr ein Dutzend Häuser und auch die Straße mitgerissen. Durch eine rechtzeitige Warnung wurde zum Glück keiner verletzt. Allerdings hat sich durch den Erdrutsch eine Art Damm gebildet, wodurch sich der Fluss zu einem beachtlichen See gestaut hat, so dass weitere Häuser nun unter Wasser stehen. Außerdem hatte der Erdrutsch zur Folge, dass urplötzlich der Zugang in den östlichen Pamir komplett versperrt war. Mit Fahrzeugen musste man einen mehreren hundert Kilometer langen Umweg durch das Wakhan Valley in Kauf nehmen. Erst nach etlichen Wochen hatten dann eingeflogene iranische Arbeiter eine neue Straße auf der anderen Seite des Flusses in den Berg gesprengt.

Hot Doctor

In Khorog erwartet uns eine völlig andere Welt. Die Menschen haben etwas dunklere, hübsche Gesichter und sind extrem nett und interessiert. Alle grüßen voll freundlich und viele sprechen erstaunlich gutes Englisch. An einem Nachmittag wollen Renzo, der Holländer Lars und ich von unserem Hostel zum Basar laufen. Unterwegs werden wir zu einer schulischen Ausstellung eingeladen. Schnell finden sich zwei etwa 18-jährige Mädchen, die uns im perfekten Englisch von Stand zu Stand führen und dabei alles erklären. Bei fast jedem Stand bekommen wir wieder kleinere Geschenke, so dass wir schon bald ne Tüte brauchen. Die beiden Mädels sprechen nicht nur überragendes Englisch sondern sind auch recht hübsch. Als Lars sie nach ihren Zukunftswünschen befragt antwortet die eine, dass sie „a doctor“ werden möchte. Lars möchte es genauer wissen und fragt nach der Fachrichtung. Sie antwortet „heart doctor“, aber Lars versteht nur „hot doctor“ und wird ganz verlegen. In seinem Gesicht kann ich lesen: „Oh ja, zieh nur was Weißes an und du hast es geschafft!“

Taliban

Im Wakhan Valley fahren wir immer dem Grenzfluss zwischen Tadschikistan und Afghanistan entlang. Irgendwo finden wir am späten Nachmittag einen versteckten Stellplatz und latschen danach ins nächste Dorf. Auf einmal hält uns ein Soldat an und meint, dass wir nicht weiterlaufen dürften. Wir verstehen nicht so recht warum, aber es scheint wohl irgendwas mit einer für morgen geplanten Evakuierungsübung zu tun zu haben. Und außerdem wäre es hier ja gefährlich, da die Taliban immer von der anderen Flussseite rüber schießen würden. Der Kamerad ist leider schon reichlich angetrunken und wir wollen uns verpissen. Aber er folgt uns, da er sehen will wo wir schlafen. Wir wollen ihm aber unseren Stellplatz nicht zeigen. Er lässt aber nicht locker und nach endlosen Diskussionen und der Zusicherung, dass wir da bleiben können geben wir nach. Es ist schon dunkel als der Kollege zu seiner Flasche Wodka zurückkehrt. Zwei Stunden später kommen fünf sechs Männer und fordern uns mehr oder weniger höflich auf, dass wir hier nicht bleiben können. Also packen wir unsere Klamotten zusammen und suchen mitten in der Nacht einen neuen Stellplatz. Nicht lustig, wenn man so gut wie nichts sieht. Irgendwann finden winden wir im Schutz einer verlassenen Festung einen Parkplatz. Da kann uns auch kein Taliban treffen...

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