Freitag, 26. Februar 2016

Ein Tag im FerganTal (Usbekistan)



Es gibt Tage im Leben, die vergisst man nicht. Nie wieder. Dieser Tag war so einer. Ich weiß nicht, ob es Glück oder Zufall war, aber jedem, der es mal in das wunderschöne  Zentralasien schafft, kann ich nur einen Abstecher in den usbekischen Part des Ferganatals empfehlen. Es ist schier unglaublich wie nett diese Menschen hier sind. Den ganzen Tag haben wir nur total herzliche und offene Menschen kennengelernt!

Ob auf der Straße oder auf dem Markt, jede Begegnung, jedes Kennenlernen beginnt mit einem freundlichen Lächeln, der flachen Hand auf dem Brustkorb und einer leichten Verbeugung. Ich kann mir keinen besseren Weg vorstellen, wie man einem Fremden freundlicher entgegen treten kann. Wenn die Leute dann erfahren, dass wir aus Deutschland kommen, folgt meistens ein langgezogenes „Aaah“  oder „Oooh“. So müssen wir Hunderte Hände schütteln oder später auf dem Markt irgendwelche lokalen Spezialitäten probieren. Fotos gehörten fast auch immer dazu. Witzigerweise bedanken sich die Menschen immer wieder, wenn wir sie fotografiert haben. Und wie oft sind wir zum Tee oder Essen eingeladen worden!? Es ist echt unglaublich. So sind wir eigentlich den ganzen Tag mit diesem zufriedenen Dauergrinsen durch die Gegend gelaufen...

Am frühen Abend kommen wir zurück zu unserem Hotel. Zufrieden aber auch ziemlich platt von dem Erlebten. Wir haben aber noch Kohldampf und wollen noch eben einen Happen essen, bevor es ins Bettchen geht. Schnell finden wir ein klassisches Einheimischen-Lokal. Einfach, aber gutbesucht. Leider sogar so gut besucht, dass alle sechs Tische des kleinen Lokals belegt sind. Man gibt uns zu verstehen, dass wir uns zu einem älteren Herrn an den Tisch sitzen sollen. Wir sind uns erst nicht ganz sicher, da dieser ältere Herr ganz schön finster ausschaut. Mit seinem kantigen Gesicht und dem kurz geschorenen Schädel könnte der in jedem Film den Bösewicht spielen.

Natürlich sind in diesem Lokal aber die Blicke nicht auf den Bösewicht sondern auf uns sonderbare Gestalten gerichtet. So hocken wir uns verstohlen an die gegenüberliegende Ecke des Tisches und ordern Hühnchen und ne Kanne Tee. Die Bedienung scheint nicht so häufig Ausländer zu sehen. Jedenfalls ist so nervös, als würde sie jeden Moment damit rechnen würde, dass wir sie grundlos erschießen. Als die gute wenig später mit dem Tee zurückkommt, stellt sie diesen jedoch genau vor den fast regungslosen Bösewicht. Wir schauen uns ein wenig ratlos an. Könnte ja sein, dass auch der alte Mann Tee bestellt hat. Jedenfalls trauen wir uns nicht, den Tee zu uns rüber zu ziehen.Aufgrund einer gewissen Ähnlichkeit nennen wir den Bösewicht ab sofort Alan. Wie Alan Shearer. Wenig später schnappt sich dieser die Kanne und gießt eine Tasse voll, um diese danach wieder in die Kanne zu schütten. Diese Prozedur wiederholt er noch zwei weitere Male und wir beobachten das mit großen Augen. Was macht der bitte mit unserem Tee!? Beim vierten Eingießen lässt er den Tee in der Tasse und schiebt in Zeitlupe die Tassen zu uns rüber. Dabei verzieht er keine Miene und wir wissen nicht genau was wir davon halten sollen. 

Im nächsten Moment fummelt Alan aus ner Plastiktüte unterm Tisch eine Flasche Honigwodka, füllt seine Teetasse randvoll und kippt den Wodka mit einem riesigen Gluck runter. Ohne mit der Wimper zu zucken. Wir schauen sprachlos zu. Dann schnappt er sich unsere halbvollen Teetassen, kippt den Rest unter den Tisch und füllt auch unsere Tassen mit dem Honigwodka. Mit einer Geste fordert er uns zum Trinken auf. Zum Glück erkennen die jungen Männer am Nachbartisch, dass ein kleines Kommunikationsproblem vorliegt. So kommen sie rüber und erklären uns die traditionellen Sitten und Gebräuche. So dient beispielsweise das wiederholte Eingießen zum Abkühlen des Tees. Außerdem übersetzen sie, dass Alan noch nie zuvor einen Ausländer gesehen hat und deswegen wohl etwas ungeübt im Umgang mit Fremden sei. Alan sei aber sehr glücklich, dass er uns kennenlernen darf. Ja, er wäre regelrecht stolz, mit uns am Tisch sitzen zu dürfen.

An diesen Tisch haben sich inzwischen auch die Jungs vom Nachbartisch gesellt. Neben dem von uns georderten Hühnchen werden laufend weitere Köstlichkeiten an den Tisch gebracht. Keine Ahnung wer dafür verantwortlich ist. Genauso ist es für Alan selbstverständlich, dass er mit uns seinen Schaschlik teilt. Widerspruch zwecklos. Nebenbei wird weiterhin kräftig Honigwodka ausgeteilt. Schnell sind wir bei der zweiten Flasche. Es ist so ein interessantes und lustiges Kennenlernen, dass die Zeit nur so dahinfliegt. Letztlich werden aus dem „eben einen Happen essen“ über drei Stunden. Dabei werden vier Flaschen Wodka und etliche Bierchen vernichtet. Zwischendurch bin ich noch mal schnell zum Oskar und hab den Rest vom Jägermeister geholt. Damit die Jungs auch mal deutsches Trinkgut kennenlernen. Nur Alan schafft den nicht mehr. Der ist schon ziemlich voll und lacht jetzt sogar manchmal. Besonders witzig finden wir, dass man sich hier nach einem lustigen Spruch anerkennend die Hand gibt. Das finden wir so geil, dass wir diese Geste für ganz Usbekistan beibehalten.

Aber das soll es noch nicht gewesen sein. Irgendwann schlägt einer vor, man könne ja noch zum Bowling  gehen. Gute Idee. Also Bezahlen und nichts wie los. Das Bezahlen wird uns allerdings verwehrt. Keine Chance. Stattdessen bedanken sie sich bei uns. Echt unglaublich. Beim Verlassen des Lokals sackt Alan Shearer dann auf die Knie. War wohl doch ein bisschen viel. Aber genauso schnell wie ein Transport zum Bowling ist auch ein Heimtransport  für Alan organisiert. Beim Bowling geht’s stimmungsvoll weiter. Es gibt noch mehr Wodka und noch mehr Bier. Dazu Knabberkram. Ich kann mich nicht mehr so genau erinnern, aber angeblich soll Hilko irgendwann an diesem Abend drei Strikes in Folge geschafft haben. Na ja, um 1 Uhr will die Bowlingbahn schließen. Auf dem Heimweg fühlen sich die Jungs, die wir vor einigen Stunden noch nie gesehen haben, wie Freunde an. Wahrscheinlich weil sie uns ständig das Gefühl geben, dass es für sie eine Ehre ist, Zeit mit uns zu teilen. Wir sind schwer beeindruckt von dieser gelebten Gastfreundschaft! Eine Gastfreundschaft, die keinen Hintergedanken hat und keine Gegenleistung erwartet...

Die folgenden Fotos sind eine Auswahl von diesem einen Tag:









 




























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